Wie aufgeladen ist die Stimmung in Bayern und wie groß ist die Gefahr durch Rechtsextremismus?
Über diese und weitere Fragen sprachen wir mit Cemal Bozoğlu (MdL, Bündnis 90 / Die Grünen) und Robert Andreasch (a.i.d.a.-Archiv, Journalist).
Corona-Pandemie, Krieg, Energiekrise und Inflation verheißen hohes gesellschaftliches Konfliktpotential. Wir haben mit Robert Andreasch (Freier Journalist, Rechtsextremismusexperte) vom a.i.d.a.-Archiv und Cemal Bozoglu (MdL, Bündnis 90 / Die Grünen) über die derzeitigen Gefahren durch Rechtsextremismus im PresseClub München gesprochen. Die Moderation hat der Journalist Jonas Miller übernommen.
Zunächst hat Robert Andreasch von den derzeitigen Demonstrationen in Bayern erzählt, dabei hat er von Beginn an klar gemacht, dass sich die Demonstrationen nie nur gegen die Corona-Maßnahmen gerichtet haben. Von Anfang an waren andere Themen und antidemokratische Forderungen präsent. Um eine Einschätzung zu geben, hat Herr Andreasch kurz umrissen, wie viele Menschen derzeit bayernweit durchschnittlich an den Demonstrationen teilnehmen. In München laufen beispielsweise mittwochs ca. 500-800 Personen mit.
Werden die Querdenken-Demonstrationen medial verharmlost?
Andreasch warnt davor, die Demonstrationen zu verharmlosen. Derzeit wird medial immer wieder suggeriert, dass die Teilnehmendenzahl rückläufig ist. Als Gegenbeispiel nannte er dafür eine Großdemonstration in Gera. In der thüringischen Stadt haben sich kürzlich mehr als 10.000 Menschen zu einer Demonstration gegen die Regierung versammelt. Außerdem meint er, dass 15-20% der deutschen Bevölkerung empfänglich sind für Verschwörungsideologien – ein weiterer Grund die rechten Bewegungen nicht zu unterschätzen.
Rechte - und linke Demonstrationen: Ungleichbehandlung durch die Behörden?
Im weiteren Verlauf ging es vermehrt um das Aggressionspotential einzelner Demonstrant*innen. So berichtet der Landtagsabgeordnete Bozoglu, dass in den letzten Wochen mehrfach Büros grüner Abgeordneter angegriffen wurden. Ebenfalls sind auf den Versammlungen immer mehr Gewalt- und Mordaufrufe gegen Politiker*innen zu beobachten. Bozoglu kritisiert in diesem Zusammenhang auch das Verhalten der Polizei. Solche Gewalt- und Mordaufrufe können ernsthafte Konsequenzen haben, doch häufig werden diese nicht strafrechtlich verfolgt. Im Vergleich zum Polizeiverhalten gegenüber Demonstrant*innen der Gruppierung Letzte Generation sieht der Politiker hier eine enorme Ungleichbehandlung rechter und linker Protestierender. Die derzeitige Inhaftierung von Demonstrant*innen der Letzten Generation kann auf Grundlage des PAG (Polizeiaufgabengesetz) erfolgen. Die Grünen haben bereits Klage gegen das Gesetz eingereicht, ein Urteil steht noch aus.
Dieser Auffassung stimmt auch Andreasch zu. Er kritisiert, dass auf allen Demonstrationen zu wenig Polizeibeamte vor Ort sind, weswegen Medienvertreter*innen oft in Gefahr geraten bzw. die Versammlungen mittlerweile meiden.
Feindbilder und Antisemitismus in der Querdenken-Bewegung
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung ging es außerdem um die Schwerpunktsetzung der Versammlungen – die Feindbilder wechseln ständig, aber insbesondere der Antisemitismus ist stark verbreitet. Hier betont Andreasch, dass die Proteste sogar sehr offen antisemitisch sind, NS-Relativierungen häufig vorkommen und Jüdinnen und Juden oftmals zu Schuldigen erklärt werden. Derzeit zeigt sich, dass eine große Anti-Geflüchtetenkampagne – ähnlich wie 2014/2015 – entwickelt werden soll.
Fazit
In der Diskussion mit dem Publikum geht es insbesondere um die Frage, wie die Zivilgesellschaft aktiviert werden kann. Cemal Bozoglu ruft zum Dialog auf und erklärt, wie wichtig gesellschaftliche Debatten sind.
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