
Wir haben ein lachendes und ein weinendes Auge: Nach 25 Jahren verlässt uns unsere langjährige Geschäftsführerin Gesa Tiedemann in den wohlverdienten Ruhestand. Wir haben aber auch schon eine wunderbare Nachfolge gefunden: Wiebke Stadler übernimmt ab jetzt die Geschäftsführung und bringt neue Ideen und Schwerpunkte mit in die Petra-Kelly-Stiftung. Hier stellt sich Wiebke vor und erzähl über ihre Vision für unsere Stiftung.

Wir haben ein lachendes und ein weinendes Auge: Nach 25 Jahren verlässt uns unsere langjährige Geschäftsführerin Gesa Tiedemann in den wohlverdienten Ruhestand. Sie hat die Stiftung geprägt wie niemand sonst und durch ihr Engagement und vielfältiges politische Interesse stets für ein buntes Programm gesorgt. Vielen Dank, liebe Gesa, wir werden dich vermissen!
Wir haben aber auch schon eine wunderbare Nachfolge gefunden: Wiebke Stadler übernimmt ab jetzt die Geschäftsführung und bringt neue Ideen und Schwerpunkte mit in die Petra-Kelly-Stiftung. Wir freuen uns auf spannende Impulse in dieser krisengeschüttelten Zeit und sorgen selbstverständlich weiterhin für ein abwechslungsreiches und kritisches Programm der politischen Bildung.
Liebe Wiebke, stellst Dich kurz vor: woher kommst Du und was hat Dich zur Petra-Kelly-Stiftung gebracht?
Ich komme ursprünglich aus Hamburg und habe dann in Lüneburg Kulturwissenschaften studiert. Schon während des Studiums habe ich begonnen, viele Kultur- und Bildungsveranstaltungen zu organisieren. Wichtige Erfahrungen waren für mich meine Auslandsaufenthalte: Direkt nach der Schule war ich ein Jahr in Paris, während des Studiums sechs Monate in Lateinamerika, nach dem Studium habe ich mir mein Fahrrad geschnappt und bin ein halbes Jahr durch Mittel- und Osteuropa geradelt. Einer meiner ersten Jobs war dann in Nord-Mazedonien, wo ich zwei Jahre bei einer lokalen NGO gearbeitet habe. Den Austausch mit Menschen aus anderen Ländern und Kontexten habe ich immer als sehr bereichernd empfunden. Er hilft dabei, eigene Glaubenssätze in Frage zu stellen und neue Sichtweisen kennen und verstehen zu lernen. Nach Nord-Mazedonien habe ich für fünf Jahre bei der Stiftung Mercator im Bereich Bildung gearbeitet. Die Stiftung arbeitet sehr strategisch und wirkungsorientiert: eine Herangehensweise, die mich stark geprägt hat.
In der Zeit habe ich berufsbegleitend einen MBA abgeschlossen. Das war sehr wichtig für mich, da es mir ermöglicht hat, berufliche Perspektiven jenseits des Gemeinnützigkeitsbereichs und fern von Kultur und Bildung kennenzulernen. Ich empfinde es als sehr wertvoll, ein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge und gewinnorientiertes Denken entwickelt zu haben. Das kommt oft im gemeinnützigen Bereich zu kurz. Dadurch kann eine Nehmermentalität entstehen, die ich für problematisch halte. Ich empfinde es als ein großes Privileg, dass ich in diesem Feld tätig sein darf. Der Umgang mit gemeinnützigen Geldern birgt eine große Verantwortung, die Mittel so auszugeben, dass ein gesellschaftlicher Mehrwert entsteht. Meine letzte berufliche Station, bevor ich zur Petra-Kelly-Stiftung gekommen bin, war bei der Stiftung Kunst und Natur, wo ich den Bereich Diskurs und Gesellschaft aufgebaut habe.
Für welche Themen brennst Du, worüber freust Du Dich bei der Arbeit hier?
Ein Thema, dass mich umtreibt, ist Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Damit meine ich nicht nur Zugänge und Verteilung von Gütern, Ressourcen und Wissen, sondern die empfundene gesellschaftliche Gerechtigkeit. Das betrifft immer noch Fragen des Geschlechts, der Herkunft, des Aussehens und damit vermeintlicher Gruppenzugehörigkeit und der Bildung. Genauso stellt sich auch die Frage nach der Generationengerechtigkeit, die durch Corona zum einen und der Klimakrise zum anderen ja auch aktuell sehr präsent ist. Daher hat es mich sehr gefreut, dass die Reihe „Recht auf gerecht!“ bereits in Planung war, als ich hier angefangen habe.
Ich glaube, dass es weiterhin eine große Aufgabe unserer Zeit ist, ungerechte Verteilung zu thematisieren – genauso wichtig ist es, ein Verständnis in der Gesellschaft für daraus folgende Umverteilungen zu erzielen. Hier kann die Stiftung Brücken bauen zwischen politischem Diskurs und alltäglichen Sorgen. Dazu benötigen wir mehr Angebote für einen offenen Austausch. Ich bin überzeugt davon, dass politische Bildungsarbeit dann am erfolgreichsten sein kann, wenn jede Person die Möglichkeit hat, eigene Lösungen zu finden. Das heißt konkret, dass wir weniger etabliertes Wissen vom Podium brauchen. Wir benötigen stattdessen mehr offene Formate, in denen ein echter Diskurs entstehen kann: weniger Antworten und mehr gute Fragen. Solche Formate gemeinsam mit den großartigen Teamkollegen*innen in der Petra-Kelly-Stiftung zu entwickeln, darauf freue ich mich sehr.
Was ist Deine Vision für die Petra-Kelly-Stiftung?
Neben neuen Formaten für Austausch und Meinungsbildung sehe ich eine große Aufgabe: Die Reichweite der Angebote zu erhöhen, und zwar in der Fläche als auch in der Breite der Bevölkerung.
Die Petra-Kelly-Stiftung ist ja für ganz Bayern zuständig. Viele unserer Angebote in Präsenz finden jedoch in München oder in einer der größeren Metropolregionen statt. Onlineangebote stellen eine gute Möglichkeit dar, Inhalte ortsunabhängig anzubieten. Diesen Bereich möchte ich gerne ausbauen. Die Wirkung ist jedoch oft ganz anders, wenn man sie direkt vor Ort erleben kann. Dafür geeignete Wege zu finden, auch mal an kleineren Orten Angebote zu machen und das in ganz Bayern, ist eine spannende Herausforderung – insbesondere, da unser Team gemessen an unserem Output nicht groß ist.
Die zweite große Herausforderung sehe ich darin, neue Zielgruppen zu erreichen. Ich denke dabei insbesondere an ein jüngeres oder nicht-akademisches Publikum. In einer Einwanderungsgesellschaft finde ich es auch wichtig, gezielt Personen mit Einwanderungsgeschichte mitzudenken.
Die Finanzierung der parteinahen Stiftungen in Deutschland ist nach der Befreiung vom Nationalsozialismus mit der Idee entstanden, gesellschaftliche Diskursräume zu öffnen und so zum Erhalt der Demokratie beizutragen. Derzeit sehe ich ein Defizit daran, von wem diese Diskursangebote genutzt werden. Wenn wir unseren Bildungsauftrag ernst nehmen, müssen wir stärker in die Gesellschaft wirken und große Bevölkerungsgruppen gezielt ansprechen und einbeziehen – nicht nur als Publikum, sondern bereits in der Konzeption unserer Angebote. Das bedeutet in Teilen, das Handeln als politische Bildungsstiftung neu zu denken. Wir brauchen neue Formate, Angebote und Kommunikationswege und eine Offenheit, etablierte Vorstellungen davon, was alles politische Bildung sein kann, zu hinterfragen. Das ist eine große Aufgabe. Ich hoffe, dass ich dazu beitragen kann.