Mehr gute Laune bitte!

Vorstandskolumne

Mit einer neuen Sprache und Fröhlichkeit schaffen US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und die demokratische Partei eine neue Begeisterung für ihre Politik. Ist das auch hierzulande möglich? Klar ist: Ohne positive Stimmung wird es für demokratische Politik im Land schwer.

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In der ZEIT war jüngst zu lesen, die Ampel-Bundesregierung sei die „am schlechtesten gelaunte Regierung der gesamten westlichen Hemisphäre“, die Süddeutsche Zeitung beschrieb die politische Stimmung in unserem Land kürzlich schlicht mit „so trostlos“. Blickt man auf die Umfragewerte vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, ist die Laune vollends dahin. Der Blick in die USA hingegen zeigt ein ganz anderes Bild. Dort beweist sich derzeit, wie eine Wahlkampagne den Stimmungsregler massiv aufdrehen und die Menschen begeistern und mitreißen kann. Binnen kürzester Zeit ist es der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und ihrem Running Mate Tim Walz gelungen, die schlechte Laune von Trumps MAGA-Kampagne ins Abseits laufen zu lassen.

Es drängt sich die Frage auf: Kann das auch in Deutschland funktionieren?

Natürlich, die Deutschen sind nicht als Nation der Gute-Laune-Bären bekannt. Ihnen hängt eher der Ruf an, nüchtern, verhalten, realistisch, auch pessimistisch zu sein, also jedenfalls: ganz anders als man es aus dem Land der million dollar smiles kennt.

Es wäre jedoch ein Fehler, von diesem Klischee des typisch deutschen Gemüts eine berührungs- und gemeinsamkeitslose politische Kultur abzuleiten. Denn auch hierzulande haben mäßig bis schlecht gelaunte, emotionsarme und unkommunikative Politiker*innen natürlich einen realen negativen Effekt. Und auch hier kann, andersherum, Politik echte Begeisterung auslösen.

Begeisterung für Parteien und deren Akteure allerdings ist derzeit eher Mangelware, gilt vielleicht sogar als unzeitgemäß. Stattdessen scheint zurzeit eine Art erlernte Anspruchslosigkeit zu überwiegen – verbunden mit dauerhafter Unzufriedenheit über die vermeintliche Wahl eines „geringeren Übels“.

Wer bekommt da schon Lust, sich einzumischen? Und wen wundert es da, dass viele Menschen nicht nur schlecht drauf sind, sondern auch pessimistisch auf Demokratie, Politik und ihre und unser aller Zukunft schauen? Wen wundert es, dass sich die Herzen der Menschen zunehmend zusammenziehen?

Doch wie ließe sich das ändern? Wer sich die Kampagne Harris/Walz anschaut, wird vor allem eines erkennen: die veränderte Sprache. Statt Trump als Bösen und Sargnagel der Demokratie zu bezeichnen, sprechen die beiden Demokraten über einen creepy Typen, dem man die eigenen Kinder keine fünf Minuten anvertrauen würde. Sie fokussieren sich nicht auf Warnungen vor einem drohenden Untergang der Demokratie, sondern beflügeln die Mengen mit dem schlichten Versprechen der freedom. Sie sprechen nicht von „Solidarität“ oder „Zusammenhalt“, sondern von „Nachbarschaft“. Kurzum: Sie nutzen frische Worte, die eine ganz andere Färbung haben als manch ein anderer abgenutzter Begriff.

Harris‘ und Walz‘ Sprache atmet keine durchprofessionalisierte, betroffene, ernsthafte Schwere, sondern transportiert Gelassenheit. Und sogar eine moralisch gefestigte, kompetente, Lust auf die Zukunft machende Heiterkeit. Es ist eine Sprache, die einerseits positiv ist, einlädt zum Austausch. Und die andererseits offen all die dunklen Gefühle anspricht, die auf vielen Menschen in den USA lasten. Es gelte, „die Verbitterung, den Zynismus und die spaltenden Kämpfe der Vergangenheit hinter sich zu lassen“, sagte Harris zum Abschluss des Demokraten-Parteitages. Sie wolle für den Zusammenhalt der Gesellschaft kämpfen und eine Präsidentin sein, die auch zuhört. Und genau so spricht sie auch.

Mit Sicherheit ist es keine leichte Aufgabe - gerade in schwierigen, auch sehr schwierigen Zeiten -, einen politischen Ton zu treffen, der seriöses und ernsthaftes Commitment transportiert und gleichzeitig eine gewisse Leichtigkeit. Eine Freude an der Sache, am Public Service – dem Dienst für die Menschen. Doch ganz offensichtlich ist es eine lohnenswerte Aufgabe. Denn die Freude und die Einladung zum offenen Gespräch machen den entscheidenden Unterschied. Eine Freude, die mit Demagogie schlicht nicht vereinbar ist. Die Menschen ansteckt und sie zum Mitmachen anregt. Das alles ist nicht leicht. Aber es ist möglich – und enorm wichtig. Gute Laune, so viel ist offensichtlich, ist – bei allen Widrigkeiten – ein ganz entscheidender Mobilisierungsfaktor in der Demokratie.

Mit ihrem herzhaften Lachen, zu dem Präsidentschaftskandidatin Harris ausdrücklich steht, steht sie für die Rückkehr dieser guten Laune. „She is bringing back the joy“ sagte der überzeugende dad und teacher Walz, der - im Gegensatz zu den Machos Trump und Vance - auch eine andere Form von Männlichkeit verkörpert. Auch das ist ansteckend: Schon gründete sich ein Kreis von Unterstützern, die lustvoll „White Dudes for Harris“ skandieren. „Democrats are smiling again“, schrieb die New York Times über die happy warriors Harris und Walz. Es ist diese neue Leichtigkeit, die es möglich macht, die politischen Gegenspielerverblassen und schwach aussehen zu lassen. Und das ganz ohne Hass.

Ja, diese Freude – jubelnde Stadien, großes Lachen auf gut ausgeleuchteten Bühnen, inszenierte Lässigkeit („I can’t wait to debate the guy“, so Waltz über Vance) – ist selbstverständlich auch eine Kampagnenfreude und gezielt eingesetzt. Aber sie ist nicht fake. Denn sie löst etwas Reales aus – das Lachen steckt an.

Wer lacht, zeigt den anderen Menschen, dass er ihnen freundlich gesonnen ist. Während Hasskommentare und wütende Reden spalten und vereinzeln, ist Lachen sozialer Klebstoff. Möglich wurde das in den USA durch ein Zusammenraufen der demokratischen Partei, die sich über ein bemerkenswert breites Spektrum hinweg hinter dieser Kampagne versammelte (hierzulande vergleichbar mit einer breiten Bewegung von Milieus der CDU bis hin zur Linkspartei). Dass dies auch in Deutschland denkbar wäre, zeigen die bedeutenden Demokratie-Demonstrationen seit dem Jahresanfang.

Mittlerweile liegt Harris übrigens auch in Michigan, Pennsylvania und Wisconsin in zahlreichen Umfragen vorne, weil sie auch Arbeiter*innen und Menschen in den ländlichen Räumen erreicht. Genau diese Entwicklung ist angesichts der anstehenden Wahlen in Ostdeutschland auch hierzulande interessant, tun sich die etablierten Parteien doch aktuell schwer damit, dort noch Begeisterung für demokratisches Ringen und Handeln auszulösen. Aber es ist nie zu spät für Politik und ihre Vertreter*innen, mehr Freude und Lust an der Sache ausstrahlen. Wer Zuversicht ausstrahlt, echte Gespräche und herzhaftes Lachen als höchste Güter pflegt und dabei eine Haltung und auch eine hoffnungsfrohe Sprache an den Tag legt, die die Stimmung der Menschen zu heben vermag, der öffnet ihre Herzen. „Energie und gute Laune sind stärker als Identität und Interesse“, so schrieb die ZEIT treffend.

Ohne positive Stimmung funktioniert demokratische Politik nicht. Wenn sie aber da ist, kann sie Berge versetzen.


Dieser Artikel erschien zuerst hier: www.boell.de